Von Matthias Wagner
Am Fuß des Plabutsch steht ein prachtvolles Schloss, umgeben von einem paradiesischen Park. Dort liegt die Wiege der styriarte. Dort spielen wir jedes Jahr. Es ist unser Kraftplatz, an dem die Musik einen besonderen Zauber erhält.
DEM PFAU IST NICHTS HEILIG
Pianissimo. Kostbare Intimität. Äußerste Konzentration. Doch dann: MIAU! Dem Pfau ist nichts heilig, auch kein Bach oder Beethoven, und das ist gut so. Wer in Eggenberg musiziert, musiziert mit den Pfauen. So ist das eben – und so war das schon Anno Domini MCMLXXXV, als hier im Planetensaal die styriarte geboren wurde.
Es war der 23. Juni 1985, und der damals 23-jährige Geiger Thomas Zehetmair spielte Sonaten und Partiten von Bach, das allererste Konzert unserer Geschichte. Später in diesem Festival Nr. 1 kam etwa Heinrich Schiff mit den Cellosuiten. Und natürlich Nikolaus Harnoncourt, mit einem Madrigalprogramm. So steht es in dem vergilbten Programmheft, das Mathis Huber aus dem Regal gefischt hat.
SWEET MEMORIES
Herr Huber war damals noch nicht Intendant, für uns irgendwie schwer vorstellbar, aber er erinnert sich noch gut an jene Pionierjahre, zum Beispiel an ein „Fest für Mozart“ 1989, das im Freien stattfinden sollte – und im Schlechtwetter unterging. „Es sind ziemlich viele Leute gekommen, aber der Regen-Plan hat, vorsichtig formuliert, nicht ganz funktioniert.“
Ansonsten dominieren die Glücksmomente in unseren Eggenberger Memoiren: Sternstunden der Kammermusik, Picknickfeste im Park; Rossballette mit echten Pferden auf dem Schlossvorplatz; musiktheatralische Erkundungen der kostbaren Prunkräume. Deren gibt es viele. Außerdem mehr als 365 Fenster. Und ungefähr 500 Deckengemälde, angelegt als genialer Zyklus über Gott und die Welt, aus dem 17. Jahrhundert, einer Zeit, in der die Eggenberger Hausherren zu Österreichs mächtigsten Fürstenfamilien gehörten.
IM PARADIES
Fast 400 Jahre ist es her, dass der Hofarchitekt Giovanni Pietro de Pomis dieses Juwel geschaffen hat, stilistisch inspiriert von Italiens Villen-Gott Palladio einerseits und der Madrider Machtzentrale El Escorial andererseits. Seither hat sich der Bau kaum verändert, aber der Park rundherum sehr wohl. Zuerst wuchsen die Pflanzen italienisch und streng, dann französisch und verspielt. Heute wandeln wir dort durch einen Landschaftsgarten im englischen Stil, der eine ungeheure Ausstrahlung hat mit seinen Blickachsen und Baumriesen. Man muss keineswegs esoterisch veranlagt sein, um diesen Ort, sobald man beim Tor hereinkommt, als Kraftplatz zu erleben. Es kann kein Zufall sein, dass hier die musikalischsten Pfaue der Welt residieren.
IM ALLERHEILIGSTEN
Das Allerheiligste der ganzen Anlage ist zweifellos der berühmte Planetensaal mit den genialen Gemälden von Hans Adam Weissenkircher, Schauplatz legendärer Musikereignisse, bei denen es stets intim zuging – soll im Sommer heißen: eng und heiß und schwül. „Dabei haben wir am Anfang sogar noch Konzerte bei voller Kerzenbeleuchtung gegeben“, erzählt Mathis Huber. „Das hat die Schwüle noch verschärft, da hat man sich gut vorstellen können, wie es seinerzeit im Barock gewesen sein muss. Und der Sauerstoff wird von den hunderten Kerzen in kürzester Zeit verbraucht.“
Die Leidensfähigkeit der Künstler*innen und Gäste war also vor ein paar Jahrzehnten noch um einiges mehr gefragt als heute, in der Klimaanlagenära. Wobei: „Das bringt ja auch einen eigenen, intensiven Reiz. Man verzichtet zwar auf Komfort, aber dafür hat man in so einer Atmosphäre unübertreffliche Erlebnisse.“
63 ARKADENBÖGEN – 1 ZAUBERSOUND
Nun. 2021 bleibt uns der Planetensaal aus Covid-Gründen ohnehin vorenthalten – oder erspart, je nachdem. Stattdessen feiern wir den Auftakt der 37. styriarte im eindrucksvollen Arkadenhof, mit der grandiosen Oper „Psiche“ von Johann Joseph Fux. Das passt perfekt, findet Mathis Huber, denn: „Es war ja damals am Wiener Hof auch so, dass man Opern im Sommer immer im Freien gespielt hat. Diese intime Oper wird im Schlosshof fantastisch wirken. Unser musikalischer Leiter Alfredo Bernardini hat sich richtig verliebt in die herrliche Akustik.“
Übrigens: Wir haben einen besseren Regen-Plan als die styriarte-Pioniere anno 1985. Bei Schlechtwetter spielen wir – auch das Divertimento-Finale unseres Festivals – in der trockenen (und klimatisierten) Helmut List Halle. Mathis Huber: „Natürlich bleibt ein kleines Risiko, aber wenn es schön ist, hat dieser Spielort so einen Zauber, dass wir das gern in Kauf nehmen.“
Wir freuen uns riesig auf das Paradies zu Eggenberg. Und sind gespannt, was uns die Pfaue diesmal vorsingen werden.
Amor und Psyche - Styriarte 2021
Arianna - Styrairte 2022