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Das Genie Fazıl Say

Er ist einer der wichtigsten Pianisten unserer Zeit. Die französische Zeitung „Le Figaro“ etwa nannte ihn ein „Genie“ und schrieb über ihn: „Er ist nicht nur ein genialer Pianist, er wird zweifellos einer der großen Künstler des 21. Jahrhunderts sein“. Geboren 1970 in Ankara, ist der türkische Pianist, Komponist und Bürgerrechtler heute weltweit bekannt. Und das nicht nur wegen seiner genialen Kompositionen und Interpretationen am Klavier – der westwärts denkende Fazıl Say sorgt auch immer wieder für Kontroversen. 

Ein Beitrag von Katharina Milchrahm.

Der Pianist

In seiner türkischen Heimat trägt Fazıl Say zur Popularisierung von westlichen Komponisten wie Bach und Beethoven bei und verbindet in seiner Musik verschiedene Welten: Klassik, Jazz und türkische Volksmusik hört man da heraus, egal ob sich der Starpianist seinen eigenen Werken oder denen von Größen wie Mozart widmet. Seine Interpretationen sind geprägt von Improvisationen, und das ist kein Wunder. Seine ersten Klavierstunden erhielt Fazıl Say, als er nur fünf Jahre alt war. Sein Lehrer ermutigte ihn, jeden Tag zu Themen aus dem alltäglichen Leben zu improvisieren, bevor er sich an seine Klavierübungen setzte. Wenn Sie sehen wollen, wie der Pianist MozartsTürkischen Marsch“ improvisiert und verjazzt und so sein Publikum zum Lachen bringt, empfehlen wir dieses Video:

Fazil Say - Mozart: Turkish March Improvisation

Der Musiker steht nicht umsonst beim Giganten Warner Classics unter Vertrag: Beobachtet man seine Auftritte, glaubt man, dass Fazıl Say um sein Leben spielt. Mit expressivem und körperbetontem Spiel berührt der türkische Pianist sein Publikum und hält es in Hochspannung. Auch sein neuestes Programm, Bachs Goldberg-Variationen, die Fazıl Say am 3. April in der Helmut List Halle präsentiert, zeugen von seiner einzigartigen Gabe, sich in die Werke zu versenken. Er selbst sagt über seine neueste Veröffentlichung: „Meine Interpretation soll den einzigartigen Gesang, Tanz, die Geschichte jedes einzelnen Teils des Werks transportieren – das war die Messlatte, die ich mir selbst gesetzt habe“. Einen Vorgeschmack darauf und auf unser Konzert Goldberg-Variationen gibt es hier:

Fazıl Say plays J.S. Bach: Goldberg Variations, BWV 988: Aria 

Der Bürgerrechtler

Vor zehn Jahren wurde der türkische Pianist in seiner Heimat wegen Blasphemie zu zehn Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. In seinen Tweets soll der bekennende Atheist die islamische Religion und ihre Anhänger:innen beleidigt haben: „Warum so eine Eile? Hast du eine Geliebte, die auf dich wartet, oder einen Rakı auf dem Tisch?“, hatte Fazıl Say damals als Antwort auf den Gebetsruf eines Muezzins getwittert. Immer wieder kam es auch zu Unstimmigkeiten zwischen Recep Tayyip Erdoğan, dem Präsidenten der Türkei, und dem Pianisten. Say verurteilte die unterdrückende Politik und Religion in der Türkei, was häufig auch zu Konzertabsagen in seinem Heimatland führte. Der Twitter-Eklat bildete wahrscheinlich den Höhepunkt dieser Reibungen – das Urteil wurde aber wieder aufgehoben. 

2016 wurde dem international gefeierten Pianisten und Aktivisten der Beethovenpreis für Menschenrechte, Frieden, Freiheit, Armutsbekämpfung und Inklusion verliehen, der als Sinnbild für Says persönliche Freiheitsbewegung steht. Auch mit Erdoğan scheint sich der Pianist wieder versöhnt zu haben: Nachdem der türkische Präsident dem Pianisten nach dem Tod seiner Mutter Kondolenzwünsche übermittelte, lud Fazıl Say diesen 2019 zur Uraufführung der „Troja Sonate ein. Nach dem Konzert gab es lobende Worte für Say, eine Verbeugung für Erdoğan. Von den säkularen Türk:innen regnete es harsche Kritik für den Pianisten, dieser hält sich aber seither mit seinen Provokationen zurück. 

Der Komponist

Aber auch in seinen Kompositionen tut der Bürgerrechtler seine Meinung kund und nutzt diese als Sprachrohr der Unterdrückten. Die drei Werke „Gezi Park 1, 2 und 3 sind den Protesten von 2013 im Istanbuler Gezi-Park gewidmet, die als Putschversuch gewertet und von der Polizei gewaltsam niedergeschlagen wurden. Wochenlang hatten Menschen dort campiert, um gegen Freiheitsbeschränkungen, Medienpropaganda und Polizeirepression zu protestieren. 

Gezi Park Sonata, Op. 52: IV. Hope is Always in Our Hearts

Wie schon Bach, Mozart, Beethoven oder Rachmaninow, schreibt Fazıl Say Klavierkonzerte für sich selbst, und setzt so eine Tradition fort, die verschwunden war. Say komponiert Musik, die zu seinem Können und seinen Vorlieben passt, und „nicht super Avantgarde und nicht extrem abstrakt” ist. Vielleicht ist es das Konkrete in seiner Musik, womit der Komponist und Pianist mit Leichtigkeit eine enge Verbindung zum Publikum aufbaut. 

Diese Verbindung sowie das Genie des Fazıl Say kann man am 3. April in der Helmut List Halle erleben. Passend zum wahrheitssuchenden Say stehen die berühmten „Goldberg-Variationen am Programm, die schon Bach selbst als Sinnbild einer göttlichen Ordnung verstanden haben mag, und die zugleich einen Grafen in schlaflosen Nächten unterhalten sollten. Says Aufnahme dieser Variationen ist übrigens schon vorab bei uns im Kartenbüro im Palais Attems und in unserem WebShop erhältlich und macht sich gut als Soundtrack für das diesjährige Osterfest, das bei uns diesmal ganz unter dem Motto „Wahrheit steht. 

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