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Ein Noob entdeckt die Klassik

Blick von der Bühne auf Pianist und dirgentin im Stefaniensaal
© Daniela Musca (privat)

Von Ariane Pakisch

Vergangenes Wochenende war es wieder so weit: Auf Einladung des Hauses styriarte durfte ich mit einem glücklichen Klassik Noob (zu Deutsch: Anfänger ohne Plan) ein Konzert besuchen.

Im Stefaniensaal spielte recreation Mozart und Brahms. Also schnappte ich mir meinen Mitbewohner Sebastian, um ihn zu seinem allerersten klassischen Konzert zu entführen. Ein Gespräch über Bilder, Bewegungskünstler und -künstlerinnen und über die Sinnhaftigkeit von Programmheften.

„Da hab‘ ich irgendwie so eine Szene im Kopf gehabt, da hab ich richtig gesehen, wie Isengard eingenommen wird.“

Warte mal kurz, was? Mozart und der Herr der Ringe? Wie geht denn das? Gibts da noch mehr?

„Also ich hab‘ schon Momente gehabt, wo ich mich irgendwie auch wie an einem anderen Ort fühlte. Bei Mozart war‘s auf jeden Fall so. Für mich war es da so spätherbstlich. Ich hab‘ auch irgendwie an Ernte denken müssen. Teilweise hat‘s nachher für mich dann sowas gehabt, als würd‘ ein Gewitter aufziehen. Also die Arbeit mit dem Klavier vorne, und hinten zieht durch den Kontrabass halt das Gewitter auf – das war für mich so ein Bild, das irgendwie im zweiten Satz ziemlich stark war.“

Also einfach nur Augen zu, und auf das erholsame Träumchen warten?

„Ich find‘, das ist so ein auf und ab an Gefühlen. Ruhigere Momente und dann wieder ein Aufgewecktwerden. Da drehen sich bei mir immer die Gedanken, da bilden sich neue Bilder. Das ist jetzt nix, wo ich wirklich zur Ruhe kommen könnt‘, mit geschlossenen Augen dasitzen und das nicht anschauen. Auch das was die Leute machen, das ist schon was anderes. Ob du einfach nur die Musik hörst, oder ob du halt die Menschen siehst, die das machen. Also das holt dann schon noch einmal mehr ab.“

© privat

Sebastian.

Wie schon beim ersten Blogpost dieser Art bedeutet „ins Konzert gehen“ nicht nur genau hinhören. Wie sagt man so schön? Das Auge isst mit. Auch bei einer Sinfonie.

„Und teilweise hab‘ ich mich dann einfach wieder auf die Musikschaffenden konzentriert. Wie die sich bewegen, wer wann einsetzt, wie die Dirigentin des ganze steuert.“

Gibt’s Favoriten?

„Also mein Lieblingsbewegungskünstler war der Pianist. Dem seine Mimik war herrlich, find‘ ich. Einfach so richtig verschmitzt auffi grinsend, teilweise böse Reinstarren in die Tasten, das war echt herrlich. Und auch der Paukenspieler. Wie zaghaft er die Schlägel nimmt, und nachher drischt er Vollgas herum. So ruhige Bewegungen und nachher Vollgas.“

Zwischen Bildern und Musik, zwischen Bewegung und Mimik wird oftmals auch ein kurzer (oder längerer) Blick ins Programm geworfen. Hier findet man nicht nur, was denn eigentlich so gespielt wird und wer da jetzt was macht. Sondern häufig auch Einführungen in die Stücke und allerlei Information rund um die Komponisten und Komponistinnen. Da kann dann so ein Hefterl gerne mal etwas länger werden. Aber braucht es das eigentlich alles? Oder ist das nicht sogar zu viel des Guten? Ist das Programm von Bedeutung?

„Also auskennen tut man sich schon. Aber ich weiß nicht, die Sprache, die hat mich jetzt vielleicht nicht so ganz abgeholt, die da drinnen ist, weil ich kenn halt auch die meisten Wörter einfach nicht. Aber es ist halt auch schwer. Wie willst du Menschen wie mich irgendwie abholen und was Vernünftiges sagen und gleichzeitig dann aber Leute nicht langweilen, die da weitaus mehr Ahnung haben davon. Man muss ja auch nicht alles verstehn, was in so einem Programm drinnen steht. Kann einen wohl interessieren, wenn man von der ganzen Thematik eine Ahnung hat, aber wenn ich da jetzt einfach als Neuling reingeh‘, dann ist das für mich noch nicht von Bedeutung.“

Was ist denn dann von Bedeutung?

„Einfach die Musik, wie sie auf mich wirkt. Und wie das Ambiente ist, und wie sich die Leute bewegen, und wie die Stimmung ist.“

Ich hoffe, diese kleinen Einblicke in unser Gespräch haben Sie, werte Leserinnen und Leser unterhalten. Und wer weiß, vielleicht sogar so sehr, dass Sie selbst in nächster Zeit mit einem Noob in ein Konzert gehen. Nur, um die Lieblingsmusik aus anderen Augen betrachten zu lassen. Oder um die Freude zu teilen. Um über Bilder, Bewegungen und Programme zu diskutieren. Um andere zu begeistern. Um es mit Sebastians Worten zu sagen:

„Ich glaub nicht, dass es das letzte klassische Konzert sein wird, wo ich war. War einfach cool.“

ZUR AUTORIN:

Ariane Pakisch, die 21-Jährige Musikologiestudentin aus Graz hört sich gerne von Schubert über Fitzgerald zu Eilish. Obwohl Sie eigentlich eher im Bereich der Popularmusik forscht, hat sie durch ihre Familie viel von der klassischen Musik auf den Weg mitbekommen. Neben der Musik setzt sie sich auch aktiv für Klimagerechtigkeit und Gleichstellung aller Menschen ein.

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